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Warum das Gewerbegebiet nicht realisiert werden darf

Südöstlich des Autobahnkreuzes A2/A39 soll nach den Plänen der Oberbürgermeister von Braunschweig und Wolfsburg sowie der Landrätin aus Wolfenbüttel und des Landrates aus Helmstedt ein großes interkommunales Gewerbegebiet von 186 ha Fläche entstehen.
Dies entspricht einer Fläche von 260 Fußballfeldern. In Übereinstimmung mit den Interessen vieler Bürgerinnen und Bürger aus dem näheren und weiteren Umfeld möchte die Bürgerinitiative Gegenwind Scheppau die Umsetzung dieser Pläne verhindern.

Dies sind die Gründe:

BEDARF
Das „Konzept für regionalbedeutsame Gewerbestandorte“ (KOREG), als Grundlagenermittlung für die Entwicklung neuer Gewerbegebiete, weist durch kalkulatorische Hochrechnung für die
vier Kommunen Helmstedt, Wolfenbüttel, Wolfsburg und Braunschweig in den nächsten 15 Jahren einen Bedarf von ca. 485 ha an Gewerbeflächen aus. Davon sollen ca. 140 ha für den regionalen und überregionalen Bedarf erforderlich sein. In Flächennutzungsplänen enthalten sind bereits Nettoflächen im Umfang von 443,5 ha. Die Differenz ergäbe rund 40 ha. Im KOREG wurden jedoch zusätzliche 397 ha als Potenzialflächen festgelegt. Das ist beinahe das 10-fache des Bedarfs dieser vier Kommunen.

Die Nettoflächen des Gewerbegebiets bei Ochsendorf – in 4 Minuten Entfernung zum neu geplanten interkommunalen Gewerbegebiet – sind allein ausreichend, um dort den zusätzlichen
Gewerbeflächenbedarf der vier beteiligten Kommunen vollständig abzudecken. Die Machbarkeitsstudie hierfür ist bereits abgeschlossen und die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Machbarkeit somit festgelegt. Ein bereits existierendes kleineres Gewerbegebiet an diesem Standort kann jedoch seit Jahren nicht ausgelastet werden.
Eine Bedarfsermittlung durch Analyse der bestehenden Gewerbeflächenanfragen aller beteiligten Kommunen ist dringend erforderlich (und im KOREG auch gefordert) um zu klären, warum strukturell ähnlich gelagerte Gebiete in unmittelbarer Nähe den Bedarf nicht decken oder ob möglicherweise schlicht ein derart gelagerter Bedarf überhaupt nicht vorhanden ist.
Unter der Berücksichtigung einer Sockelarbeitslosigkeit von 3% herrscht laut KOREG in einigen der betroffenen Teilregionen nahezu Vollbeschäftigung. Insofern ist nicht gewährleistet, dass ausreichend Fachkräfte zur Verfügung stünden. Vermarktungsprobleme wären die Folge.

NATUR
Die für das Großgewerbegebiet vorgesehene Fläche ist eine wertvolle offene Kulturlandschaft mit verschiedenen Biotoptypen und einer vielfältigen Fauna und Flora. Dieses Gebiet ist zudem
eingebettet in einen ökologisch außerordentlich bedeutsamen Landschaftsverbund mit zahlreichen Schutzgebieten, die unmittelbar oder mittelbar angebunden sind. Dazu zählen mindestens zehn sogenannte Flora-Fauna-Habitatgebiete, die sich durch eine spezielle Artencharakteristik und höchst unterschiedliche Lebensraumtypen auszeichnen. Nach europäischem Recht genießen diese Gebiete einen verbindlichen Schutzstatus.
Die besondere Bedeutung der Zielfläche liegt dabei in der Biotopvernetzung, durch die ein funktionaler Kontakt und Austausch zwischen den verschiedenen Lebensräumen mit den darin beheimateten Populationen von Organismen überhaupt erst möglich wird. Man spricht dabei auch von „Kohärenz“ – eine Konstellation, der rechtlich eine besondere Relevanz beigemessen wird, z.B. im Bundesnaturschutzgesetz.

KULTURLANDSCHAFT
Bei Einbeziehung von Wohld, Schunteraue und dem Naturpark Elm/Lappland ist das Zielgebiet auch Bestandteil einer bedeutenden landwirtschaftlich geprägten und facettenreich strukturierten Kulturlandschaft. Im RROP (Regionales Raumordnungsprogramm) 2008 ist es als sogenanntes Vorbehaltsgebiet für Natur und Landschaft sowie Erholung ausgewiesen. Für die Bürger aus der Region und deren Umfeld bieten sich hier ausgezeichnete Möglichkeiten für Naherholung und Freizeitgestaltung.
Zudem sind günstige Voraussetzungen für einen nachhaltigen Tourismus gegeben, die durch das Gewerbegebiet völlig zerstört würden, ebenso wie die bislang daraus resultierende hohe
Lebensqualität.
Die Machbarkeitsstudie sollte nicht erfolgen, bevor das neue Regionale Raumordnungsprogramm vorliegt – inkl. dem Umweltbericht. Denn mit dem derzeit gültigen RROP wäre das geplante Gewerbegebiet nicht vereinbar und 200.000 Euro Steuergelder damit verschwendet.

AUSWIRKUNGEN
Die Realisierung des Großgewerbegebietes hätte neben der Zerstörung von Natur und Kulturlandschaft zahlreiche negative Folgen für Mensch und Umwelt. Neben dem gravierenden Verlust natürlicher Ressourcen durch ausgedehnte Flächenversiegelung und damit einhergehenden erheblichen Veränderungen des Landschaftsbildes, nähme die Natur darüber hinaus auch Schaden durch künstliche Lichtquellen (Lichtverschmutzung) mit einem störenden Einfluss auf den Orientierungssinn von Vögeln und Insekten. Stark zunehmender Verkehr auf nicht dafür ausgelegten Landstraßen durch fehlende Anschlüsse an Schiene und Wasserwege sowie ein nicht vorhandener Zugang zu nachhaltiger Nutzung des Öffentlichen Personen Nahverkehrs (ÖPNV) würde zu mehr schädlichen Emissionen und Lärmbelastung in den benachbarten Dörfern führen.

FAZIT
Auch wenn beim interkommunalen Gewerbegebiet an der A 39 bei den politischen Akteur*innen vom „modellhaften Charakter“ gesprochen wird, so ist die „Modellhaftigkeit“ ausschließlich in der Zusammenarbeit der vier Kommunen zu erkennen. Die im KOREG festgelegten Voraussetzungen für einen Modellstandort erfüllt dieses Gewerbegebiet auf bislang unversiegelter Fläche ohne Anschluss an den ÖPNV nachweislich nicht.

Die Abwägung aller Argumente führt zu dem Ergebnis, dass eine Realisierung des Gewerbegebiets nicht sinnvoll sein kann und bereits die Machbarkeitsstudie obsolet ist.

Einer gesamtgesellschaftlichen Anforderung an einen nachhaltigen Umgang mit vorhandenen Ressourcen sowie die Verantwortung gegenüber nachfolgenden Generationen kann nicht Rechnung getragen werden, wenn die Realisierung eines nicht erforderlichen Gewerbegebietes die unwiederbringliche Zerstörung schützenswerter Landschaft zur Folge hat.

Scheppau, 23.02.2021
Bürgerinitiative Gegenwind Scheppau

 

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